Unser Engagement für mehr Suffizienz
Steiner Lab Foundation hält Suffizienz für einen der wesentlichen Schlüssel zum nachhaltigeren Leben.
Im Frühjahr 2022 haben wir daher auf unserer Webseite eine Kundenbefragung zum Thema Suffizienz und Nachhaltigkeit gestartet. Über 350 NutzerInnen durften wir so den Puls zu ihrem Verhalten fühlen. Wir haben daher an dieser Stelle Teile unseres letztjährigen Essays, der regen Anklang gefunden hat, mit den Ergebnisse unserer Umfrage zusammengeführt. Die Ergebnisse haben uns in vielfacher Hinsicht überrascht.
Überwältigende 82 Prozent unserer Befragten betonten nämlich, dass Ihnen Nachhaltigkeit wichtig oder sehr wichtig ist – 55 Prozent berichteten dabei auch suffizient zu leben.
Wir können also zunächst feststellen, dass das Thema die Gesellschaft schon stark durchdrungen hat.
Ein hartnäckiger Teil von 20 % der Befragten steht dem aber dennoch bei beiden Fragen ablehnend gegenüber, was sich auch in vielen gesellschaftlichen Debatten zum Thema widerspiegelt.
Dass wir erst am Anfang einer Entwicklung stehen, zeigen auch die Selbsteinschätzung der Befragten – 58 % betonten selbstkritisch, dass sie bei ihren Handlungen zu Suffizienz und Nachhaltigkeit noch Potential haben – nur 17 Prozent sahen sich auf Kurs. Nun kann nachhaltiges Verhalten in verschiedenen Lebenssituationen geübt werden – wir hatten diese Felder in unserer Umfrage versucht zu beleuchten.
Thema Wohnen
Das Wohnen wird dabei scheinbar bei der Betrachtung noch vernachlässigt, nur 17 Prozent sagen, dass Ihnen besonders beim Wohnen Nachhaltigkeit wichtig ist. Hier scheint es jedoch einigen Spielraum für innovative Wohnkonzepte zu geben, allerdings dauert hier eine potentielle Verhaltensänderung aufgrund der langen Lebenszyklen von Gebäuden auch am längsten.
Mehr als die Hälfte der Befragten wohnten heute noch in Wohnungen mit mehr Zimmern als Bewohnern, aber nur 18 Prozent betrachten den von ihnen bewohnten Raum als zu gross – fast 60 Prozent finden ihn demgegenüber genau richtig bemessen. Trotzdem gibt es grosses Interesse für Wohnraum mit flexibler Nutzung (64 %).
Besonders beim Heizen sind 2/3 der Befragten bereit zu sparen und eher einen warmen Pullover anzu- legen – vielleicht auch deswegen, weil Einsparungen bei den Heizkosten unmittelbar im Portemonnaie zu spüren sind. Es scheint aber, dass der Trend zu mehr Nachhaltigkeit auch eine Art Gegenbewegung mit gewisser Renitenz fördert – 1/3 der Befragten ist es einfach wichtig zuhause auch im Winter mit T‑Shirt und Barfuss herumlaufen zu können.
Verzicht – bis vor wenigen Jahrzehnten bestimmender Teil des Alltags – ist in der hedonistischen westlichen Kultur des beginnenden 21. Jahrhunderts kaum mehr verankert. Wobei die Gesellschaft diesbezüglich einem Grundlagenirrtum unterliegt. Ab einer gewissen Schwelle des Wohlstandes nimmt in hochentwickelte Gesellschaften das Glücksempfinden und die Lebenszufriedenheit nicht mehr zu.
Hinter dem seit Jahrzehnten wachsenden Wohnflächenbedarf stehen unter anderem gesellschaftliche Entwicklung weg von Mehrpersonenhaushalten hin zu Paar- und Singlehaushalten. Dadurch steigt der Bedarf an Grundinfrastruktur wie Küche und Bäder insgesamt. Individuelle Waschküchen oder Waschräume in den Wohnungen fördern den Flächenbedarf ebenfalls. Allerdings steigt auch die Reservehaltung von Nebenräumen für Gästezimmer, Büros oder Abstellräume oder als Kompensation von nicht mehr vorhandenen Estrich- und Kellerräumen.
Die Bereitschaft zu verzichten, ist verbreitet vorhanden, wie eine GFK-Studie im Auftrag des WWF zu diesem Thema zeigt. Demnach wollen oder können nur knapp 9 Prozent der Befragten ihren Konsum nicht reduzieren. Für die anderen ist Geld zu sparen die wichtigste Motivation, gefolgt von Umweltmotiven (Umwelt/Ressourcen schonen). Je 13 Prozent meinen schon alles zu haben oder versprechen sich durch Konsumverzicht von Ballast zu befreien beziehungsweise mehr Zeit zu haben.
Nutzen statt Besitzen
Wir wollten von unseren Usern auch wissen, wie sie auf andere, ressourcenschonende Konzepte im Wohnumfeld reagieren. Auch hier zeigt sich schon ein grosser Teil der Befragten bereit für Verzicht – etwa bei der Badewanne (53 %) oder bei Waschmaschine und Wäschetrockner, die sie gerne mit anderen Nutzern in einer gemeinsamen Waschküche teilen würden (32 %). Wir wissen von vielen Genossenschaftsprojekten, dass eben genau diese Nutzergemeinschaft wertvoll, aber ebenso schwer zu fördern ist – entsprechend lehnte auch die Hälfte unsere Befragten jede Gemeinschaftsarbeit ab,
28 Prozent sagten sogar offen, dass sie kein Interesse haben, Räumlichkeiten in einer Gemeinschaft zu teilen.
Was geteilte Räumlichkeiten betrifft, scheint zurzeit besonders das Arbeitszimmer Potential zu haben, zum Gemeinschaftsraum ausgebaut zu werden. Schon heute nutzen 17 Prozent der User dieses gemeinschaftlich, 24 Prozent sagen, dass sie sich vorstellen können, das Arbeitszimmer mit anderen zu teilen.
Auf Vorrat gehaltene oder oft nur selten genutzte Flächen haben Genossenschaften im Auge, die gemeinschaftlich nutzbare Räume bereitstellen – Gemeinschaftsräume für grössere Einladungen, Gästeschlafzimmer, Co-Working-Räume oder gar Gemeinschaftsküchen. Angebote dieser Art ermöglichen es, den individuell genutzten Wohnraum klein zu halten und insgesamt Wohnfläche einzusparen.
Zu den Vorreitern grüner Mobility Konzepte gehört die 1987 gegründete Auto Teilet Genossenschaft (ATG), aus der die Mobility Genossenschaft hervorgegangen ist. Sie hat aufgezeigt, dass Autofahren auch ohne Autobesitz möglich ist. Mobility stellt heute 3120 Fahrzeuge an 1530 Standorten zur Verfügung. Die 224 000 Kundinnen und Kunden verzichten dadurch auf über 35 000 Autos. Schweizweit können rund 55 000 Parkplätze eingespart werden.
Mobilität & Ernährung
Beim Thema Mobilität, die 1/4 unserer Befragten als besonders wichtig für ihr nachhaltiges Verhalten erachteten, scheint eine Veränderung in vollem Gange.
23 Prozent wünscht sich gedeckte Veloparkplätze, 33 Prozent genügt der ÖV um die Ecke – aber auch hier gibt es das resistente Drittel, das die Einstellhalle für ihr Auto für besonders wichtig hält.
Und wie ernähren sich nun die Menschen in unserer Umfrage? Immerhin scheinen sie besonders bei den Nahrungsmitteln (31 %) auf Nachhaltigkeit zu achten – 60 Prozent sind bereit für nachhaltige Lebensmittel auch mehr Geld auszugeben – allerdings sind Hofladen und Markt oder zumindest der Quartierladen noch eher irrelevant. 70 Prozent beziehen ihre Lebensmittel noch immer vom nächsten Supermarkt. Hier gilt es bei der Quartierentwicklung nachzuhelfen.
Es bieten sich auch spielerische An- reize, den Verzicht zu fördern, indem vor allem Informationen an den Wettbewerbs- und Spieltrieb der Nutzerinnen und Nutzer appellieren. So wie heute das Mobilphone die körperliche Selbstoptimierung – wahlweise im Wettbewerb mit der Community – vorantreibt, könnten dies auch entsprechende Apps mit der Wohnnutzung fördern. Heute fehlen dazu aber vielerorts (Energie-) Verbrauchsdaten, etwa zum täglichen Warmwasserverbrauch in der Dusche oder zum Stromverbrauch beim Kochen, und dies in gut visualisierter Form.
Fazit
Natürlich ist diese Umfrage nicht repräsentativ. Die aufgezeigten Tendenzen sind aber sicher überall in der Gesellschaft zu finden. Gewohnheiten und Bequemlichkeit halten vermutlich immer noch etwa 1/4 der Bevölkerung davon ab, umzudenken. Es fällt aber auch auf, dass Themen mit hoher medialer Durchdringung, etwa Bio-Lebensmittel oder Mobilität eine Veränderung erfahren haben – und suffizientere Wohnungskonzepte ebenso erfolgreich werden dürften, wenn sie denn mehr in den Fokus gelangen. Hier schliesst sich mithin der Kreis unserer Befragung. Bei unserer ersten Frage, «was ist ihnen am wichtigsten bei Ihrer Lebensplanung» nannten 38 Prozent finanzielle Sicherheit als ihr persönliches Ziel. Dass eben diese finanzielle Sicherheit ohne bessere Ökobilanz kaum mehr erreichbar ist, sollte allen klar sein.
Suffizienz – weniger ist mehr Der hier zusätzlich zur Umfrage in Auszügen abgebildete Essay können Sie in vollständigem Wortlaut direkt hier als ein PDF-Dokument herunterladen.
Steiner Lab Foundation Jahresbericht 21/22 Die hier publizierte Auswertung unserer Umfrage zu Suffizienz und Konsumverhalten ist in unserem Jahresbericht 2022 enthalten. Diesen können Sie hier direkt als PDF-Dokument herunterladen.